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Jean de La Bruyère    1645-1696

französischer Schriftsteller
Schmetterling
Geist und Talent verhalten sich zueinander wie das Ganze zu seinem Teile.
Nur an sich und an das Gegenwärtige denken ist die Quelle der Fehlgriffe in der Staatskunst.
Zwei ganz verschiedene Dinge behagen uns gleichermaßen: die Gewohnheit und das Neue.
Man darf Menschen nicht wie ein Gemälde oder eine Statue nach dem ersten Eindruck beurteilen, die haben ein Inneres,
      ein Herz, das ergründet sein will.
Wir stimmen den anderen nur zu, wenn wir eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen und uns empfinden.
Die Treulosigkeit ist sozusagen eine Lüge der ganzen Person.
Beim Anblick eines gewissen Elends empfindet man eine Art Scham, glücklich zu sein.
Es ist schön, den Augen dessen zu begegnen, dem man soeben etwas geschenkt hat.
Man bereut es selten, wenn man zu wenig spricht, aber sehr oft, wenn man zu viel spricht: eine verbrauchte und
      alltägliche Lebensregel, die jedermann kennt, aber niemand befolgt.
Große Dinge setzen in Erstaunen, der kleinen wird man überdrüssig; durch die Gewohnheit werden wir
      mit beiden vertraut.
Liebe und Freundschaft schließen einander aus.
Der Tod kommt nur einmal, und doch macht er sich in allen Augenblicken des Lebens fühlbar. Es ist herber,
      ihn zu fürchten, als ihn zu erleiden.
Eines der Merkmale geistiger Mittelmäßigkeit ist der stete Hang,unwahre Dinge zu erzählen.
Es gibt auf der Welt kaum ein schöneres Übermaß als das der Dankbarkeit.
Das Leben ist eine Tragödie für die, die fühlen, und eine Komödie für die, die denken.
Es ist besser, sich der Undankbarkeit auszusetzen, als Unglücklichen Unrecht zu tun.
Manche sprechen einen Augenblick, bevor sie denken.
Die falsche Bescheidenheit ist der letzte Kunstgriff der Eitelkeit.
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Jemanden vergessen wollen heißt,an ihn denken.
Alles ist möglich und auch das Gegenteil von allem.
Nichts erfrischt unser Blut so sehr, wie wenn es uns gelungen ist, eine Dummheit zu vermeiden.
Es ist ebenso viel Trägheit wie Schwäche dabei, sich beherrschen zu lassen.
Man kann es auf zweierlei Art zu etwas bringen: Durch eigenes Können oder durch die Dummheit der anderen.
Spottsucht ist oft Armut an Geist.
Bescheidenheit ist die letzte Raffinesse der Eitelkeit.
Es ist ein Unglück, nicht genug Geist zu haben, um eine Rede zu halten und nicht genug Selbsterkenntnis,
      um zu schweigen.
Es gibt Leute, die einen Augenblick früher sprechen, als sie gedacht haben.
Für zwei einander ganz entgegengesetze Dinge sind wir gleich sehr eingenommen: für die Gewohnheit und das Neue.
Am sichersten macht man Karriere, wenn man anderen den Eindruck vermittelt, es sei für sie von Nutzen, einem
      zu helfen.
Die Menschen sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie Musse hätten, die anderen zu ergründen und ihr
      Wesen zu erkennen.
Das Bedauern, welches die Menschen über den schlechten Gebrauch der schon erlebten Zeit empfinden, führt sie nicht
      immer dazu, von dem Reste einen besseren Gebrauch zu machen.
Die Frauen richten sich in ihrer Moral nach denen, die sie lieben.
In der Freundschaft vertraut man seine Geheimnisse an; in der Liebe entschlüpfen sie einem.
Der Mann bewahrt fremde Geheimnisse besser als eigene. Die Frau bewahrt eigene Geheimnisse besser als fremde.
Die Kinder kennen weder Vergangenheit noch Zukunft und -was uns Erwachsenen kaum passiert- sie genießen
      die Gegenwart.
Die, welche ihre Zeit schlecht anwenden, sind die ersten, welche sich über ihre Kürze beklagen.
Alles ist schon gesagt worden, und man kommt mehr als siebentausend Jahre zu spät, seit es Menschen gibt, die denken.
Das beste aller Güter, wenn es überhaupt Güter gibt, ist die Ruhe, die Zurückgezogenheit und ein Plätzchen, das man
      sein Eigen nennen kann.
Die Menschen finden selten ein Wort der Anerkennung füreinander und zeigen wenig Neigung, sich gegenseitig zu loben.
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Es gibt nur drei Ereignisse für den Menschen: Geburt, Leben und Tod; er weiß nichts von seiner Geburt, stirbt unter
      Schmerzen und vergisst zu leben.
Lob ist die einzige Kraft, die uns zu edlen Handlungen antreibt und uns Ausdauer dafür verleiht.
Schöne Mädchen geben ihren schlecht behandelten Liebhabern oft durch hässliche oder unwürdige Ehemänner eine
      späte, ausreichende Genugtuung.
Wenn die Armut die Mutter der Verbrechen ist, so ist der Mangel an Geist ihr Vater.
Alles ist Versuchung für den, der sie fürchtet.
Die äußersten Gegensätze berühren sich.
Die nämliche Sache ist in dem Munde eines Menschen von Geist eine Naivität oder ein Witz, im Munde eines Einfältigen
      eine Dummheit.
Für sich selbst genügt ein einziger treuer Freund, und es bedeutet viel, ihn zu besitzen. Um anderen gefällig zu sein, kann
      man nie genug Freunde haben.
Man kommt in der Freundschaft nicht weit, wenn man nicht bereit ist,kleine Fehler zu verzeihen.
Um einen Menschen lange Zeit zu beherrschen, muss man eine leichte Hand haben und ihn so wenig wie möglich seine
      Abhängigkeit fühlen lassen.
Wegen der Männer können sich Frauen nicht leiden.
Man mag die Gesellschaft nicht lieben oder über sie spotten, man kann sie doch nicht entbehren.
Ist das Leben unglücklich, so ist es mühselig zu ertragen, ist es glücklich, so ist es furchtbar, es zu verlieren. Beides
      kommt aufs gleiche heraus.
Ein Mensch von feiner Lebensart pflegt sich so zu benehmen, dass die anderen nach seinen Worten und seinem Verhalten
      mit ihm und mit sich selbst zufrieden sind.
Die Haupteigenschaft eines Redners ist der ehrenvolle Charakter. Ohne diesen artet er zum Deklamator aus.
Anfang und Ende einer Liebe kündigen sich dadurch an, dass man sich scheut, mit dem anderen allein zu sein.
Bei vielen Leuten ist nur der Name etwas wert.
Die Kinder würden den Vätern vielleicht weit teurer sein, so wie anderseits die Väter ihren Kindern, wenn diese nicht den
      Anspruch hätten, Erben zu werden.
Es gibt für den Menschen nur ein wahres Unglück: sich etwas vorzuwerfen haben.
Je mehr sich ein Weib dem Manne hingab, desto enger hängt sich ihr Herz an ihn, während oft umgekehrt das des
      Mannes sich desto mehr ablöst.
Man muss lachen, bevor man glücklich ist, weil man sonst sterben könnte, ohne gelacht zu haben.
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